4 gute Gründe, bei der Jobsuche offen zu sein
von Daniela Wittinger
Du bist dabei, dein Studium erfolgreich abzuschließen, und die Jobsuche steht vor der Tür? Nach der Corona-Durststrecke, die deine persönlichen Kontakte auf ein Minimum schrumpfen ließ, gar nicht so einfach. Du fragst dich, wie du deine Skills und dein Know-how beruflich bestmöglich einbringen kannst und mit welchen Bewerbungsstrategien du punktest? Dann lies weiter!
1. Sprich über dich und deine Skills
Deine Gedanken kreisen im Kopf und sind flüchtig wie der Nebel? Du hast das Gefühl, alles und nichts zu können, und weißt nicht so recht, wie du mit der Jobsuche beginnen sollst? Beginne bei dir!
Sprich über dich und die Dinge, die dich beschäftigen – schnapp dir eine Person deines Vertrauens und mach einen Spaziergang. In der Natur lässt es sich so richtig gut reflektieren. Frag Menschen aus deinem weiteren Umfeld, was dich ausmacht: Was sind deine persönlichen Stärken? Welche Skills heften sie dir an die Stange? Wo sehen sie dich beruflich in fünf Jahren? Wenn etwas Überraschendes für dich dabei ist: Frag nach! Woran machen sie diese Stärke fest? Je detailreicher du deine Skills vor Augen hast, desto besser.
Du möchtest (noch) mehr Klarheit? Bring deine eigenen Gedanken zu Papier.
Lege dir eine Mind-map an und stell dir Fragen wie: Wo vergesse ich die Zeit? Was mache ich richtig gern? Was würde mein*e beste*r Freund*in über mich sagen? Welche meiner Kompetenzen werden von meinen Studien- oder Arbeitskolleg*innen besonders wertgeschätzt?
Auch in den Karriereberatungen habe ich von meinen Kund*innen schon oft die Rückmeldung bekommen, dass sich durch das Aussprechen oder Festhalten von Gedanken vieles ändert. Sie nehmen Gestalt an, werden greifbar und der Nebel in deinem Kopf beginnt sich zu lichten. Die Jobsuche ist meist ein „lonely job“. Umso wichtiger ist es, dir Unterstützung zu suchen und dir Motivator*innen ins Leben zu holen.
Uniport hat einen Podcast ins Leben gerufen, wo Berufseinsteiger*innen vor den Vorhang geholt werden, die von ihrem Weg erzählen. Perspektivenwechsel und die Erkenntnis, dass alle mit Wasser kochen, kann ebenso helfen! Hör jetzt rein!
2. Handeln statt detailreich planen
Oft dreht sich alles um Ziele und Traumjob. Das Streben nach Perfektion vereitelt uns das Losgehen. Trial and Error sind wichtige Wegweiser im Findungsprozess. Du darfst und sollst dich ausprobieren und manchmal gehören auch Umwege und das Gefühl des Scheiterns dazu! Vermeintliche Fehltritte können unsere Ortskenntnis erhöhen und bieten uns häufig neue Perspektiven auf unsere Pläne.
Die Kognitionswissenschaftlerin Saras Sarasvathy fand in ihren Forschungsarbeiten heraus, dass erfolgreiche Entrepreneure in Situationen der Ungewissheit nicht zu planen und analysieren begannen, sondern bevorzugt die Logik des erkundenden Handelns einsetzten. Sie nannte die Art dieses unternehmerischen Gestaltens Effectuation und identifizierte vier Prinzipien für das Handeln in Ungewissheit.
Mittel- statt Zielorientierung
Anstelle von klaren Zielen und festgezurrten Plänen geht der Blick von erfolgreichen Startuppern zuerst auf die vorhandenen Ressourcen. Fragen wie „Wer bin ich, was weiß ich und wen kenne ich? Und was ist damit möglich?“ treten in den Vordergrund. Dadurch bestimmen die Mittel, was machbar ist. Je besser du dein berufliches Profil kennst und weißt, wo deine Stärken und Interessen liegen, desto leichter kannst du im Bewerbungsgespräch herausfinden, ob der Job wirklich zu dir passt.
Leistbarer Verlust und nicht erwarteter Ertrag bestimmt das Handeln
Erfolgreiche Unternehmer*innen schaffen sich einen Überblick, was sie bereit sind zu verlieren und welchen Einsatz sie sich leisten wollen – besonders in ungewissen Zeiten ist dies eine wichtige Maxime. Auf die Jobsuche gemünzt bedeutet dieses Prinzip vielleicht, dir darüber bewusst zu werden, was für dich bei einem Job besonders wichtig ist, wo du mögliche Abstriche machen kannst. Welche Entwicklungsmöglichkeiten bietet dir die Stelle? Welche Perspektive verbindest du mit der Position? Welche deiner persönlichen Ressourcen und Interessen sind gut eingesetzt? Aber auch: Welche persönlichen Einschnitte bringt die Stelle mit sich? (z. B. durch Arbeitszeitausmaß, Umzug, Entlohnung)
Partnerschaften statt Konkurrenz
Erfolgreiche Start-ups holen früh mögliche Mitstreiter*innen an Bord und setzen häufig auf Co-Creation. Durch Partnerschaften können Vorhaben gemeinsam entwickelt und ausgehandelt werden und es kommen neue Mittel (Ressourcen, Kompetenzen) ins Spiel, die auch die Zielrichtung beeinflussen können. Auch bei der Jobsuche ist es wichtig, dass du dir Mentor*innen oder Sparring-Partner*innen suchst. Je mehr Personen wissen, was du kannst und wohin du beruflich willst, desto besser kann dich dein Netzwerk unterstützen.
Umstände und Zufälle nutzen statt vermeiden Saravathy fand weiteres heraus, dass Entrepreneure, die nach dem Effectuation-Ansatz handeln, Unerwartetes und Zufälle als Chance und weniger als Risiko wahrnehmen. Rückschläge tragen häufig auch Informationen im Gepäck, warum etwas nicht funktioniert hat und was man beim nächsten Mal anders machen kann. Für die Jobsuche könnte das bedeuten, dass du deiner Bewerbungsstrategie einen anderen Dreh gibst. Wenn du dich vorwiegend auf Jobplattformen bewirbst, probiere es über andere Kanäle wie LinkedIn/XING oder mit einer Initiativbewerbung bei deinem Wunschunternehmen. Versuch dich in Netzwerke einzuklinken, die ähnliche Ziele verfolgen, und hab Mut, dich zu zeigen.
3. Teile deine Erfahrungen und sei offen für Neues!
Ideen multiplizieren sich nach einer Formel, die bereits Plato treffend beschrieben hat: „Wenn zwei Kinder je einen Apfel haben und sie diese Äpfel tauschen, hat am Ende auch nur jede*r einen. Wenn aber zwei Menschen je einen Gedanken haben und diese tauschen, hat am Ende jede*r zwei neue Gedanken.“
Durch Perspektivenwechsel kann es dir gelingen, aus einem halb leeren Glas ein halb volles zu machen. Das klingt fast wie Magie – ist es auch! Unsere Sprache prägt unsere Gedanken und diese wiederum unser Verhalten und Handeln. Im Austausch mit anderen können wir unsere Sichtweisen erweitern, verändern oder auch völlig neu kreieren.
Die modernen Kommunikationstechnologien beflügeln den Austausch in Netzwerken. Immer seltener werden Innovationen von einzelnen Expert*innen generiert, sondern entstehen in einem lebendigen Wissenskollektiv. Die Open-Source-Bewegung führt uns sehr deutlich vor Augen, dass komplexe Wissensarbeit nicht hierarchisch strukturiert sein muss, sondern vor allem Offenheit und Freiräume braucht, um Innovationen hervorzubringen.
4. Co-Creation als Erfolgsweg
Das neue Miteinander in der Arbeitswelt basiert stärker als je zuvor auf Vertrauen, und viele Unternehmen erkennen, dass die Bewältigung von künftigen Herausforderungen vor allem drei Dinge braucht: Kooperation, Kollaboration und Co-Creation.
Ein bahnbrechendes Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung der Effectuation-Prinzipien in der Praxis ist das Projekt Lightspeed – die Entwicklung des Corona-Impfstoffs von BioNTech und Pfizer.
Am 21. Dezember 2020 wird der erste Covid-19-Impf-stoff von der Europäischen Kommission zugelassen. Weniger als ein Jahr zuvor – nämlich Mitte Jänner 2020 – startet der Mediziner Uğur Şahin das Projekt Lightspeed mit dem erklärten Ziel, schnellstmöglich einen Impfstoff gegen SARS-CoV-2 zu entwickeln. Dabei macht sich der Forscher die vier Erfolgsfaktoren für das Handeln in Ungewissheit zunutze.
Der Forscher nutzt den Zufall und entscheidet sich, statt eines Krebsmedikaments einen Impfstoff gegen das neuartige Coronavirus zu entwickeln, das Mitte Jänner 2020 bereits in Wuhan zum Lockdown geführt hat. Den Fokus auf die Mittel gerichtet, sind alle Kompetenzen und technischen Voraussetzungen für die Impfstoffentwicklung bei BioNTech gegeben, sodass lediglich die Prioritäten verschoben werden müssen, um sogleich mit der Entwicklung anzufangen.
Şahin sucht unter seinen Mitarbeitenden Freiwillige, die an dem Projekt Lightspeed mitwirken wollen, und so kann er ein hoch motiviertes Team an Forscher*innen vereinen.
Während normalerweise Impfstoffe seriell im Labor ausführlich getestet werden, entscheidet sich Şahin dafür, noch während der Laborstudien parallel 20 verschiedene Impfstoffe zu produzieren, wohlwissend, dass ein großer Teil davon die klinischen Testphasen nicht überstehen wird. Er kalkuliert somit den leistbaren Einsatz bzw. Verlust. Vier Impfstoffe erreichen die klinische Phase I, zwei der Impfstoffe gelangen bis Phase III. Dort zeigt sich schließlich die Überlegenheit des heute verwendeten Impfstoffs.
Die schnelle Verteilung des Impfstoffes und die Organisation der klinischen Phasen mit über 40.000 Proband*innen sowie die Zusammenarbeit mit den Genehmigungsbehörden und Zulassungsstellen benötigen weitere starke Partnerschaften. Şahin findet für alle Themen Partner*innen und mit Pfizer den wichtigsten Kooperationspartner in der Entwicklung und Verteilung des neuartigen Corona-Impfstoffes.
Co-Creation braucht Mut und Vertrauen. Große Ereignisse die sich aus kleinen Taten speisen. So wie ein Steinchen ins Wasser geworfen große Kreise zieht, so kann es auch in der Jobsuche sein: Es geht darum, mit kleinen Schritten zu beginnen und sich immer mehr aus der eigenen Komfortzone herauszuwagen. Aus Gesprächen mit Freund*innen und Bekannten entsteht eine Idee, wie das eigene Netzwerk erweitert werden kann. Durch das Aufschreiben der eigenen Skills und Interessen wird klarer, welche beruflichen Entwicklungsschritte anstehen. Und meistens ist das Ganze mehr als die Summe der einzelnen Teile – d. h. ein Schritt ergibt den nächsten und mit einer Prise Mut öffnen sich Wege, die du beim Losgehen noch nicht für möglich gehalten hättest!
Daniela Wittinger
Systemischer Coach, Soziologin, Mama, Unternehmensgründerin und Karriere-Beraterin bei Uniport.
Bunte Biographien und verschlungene Lebenswege faszinieren sie sowohl beruflich als auch privat. Die Beschäftigung mit beruflichen Übergängen, Erst-, Neu- und Wiedereinstiegen zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Leben.
Dieser Artikel ist in der 11. Ausgabe des Karrieremagazin Rise erschienen.
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